Seit Inkrafttreten der überarbeiteten „Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung“ (FinVermV) am 1. August 2020 gilt für die rund 38.000 Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater mit Lizenz nach Gewerbeordnung (GewO) ein neuer Gesetzesrahmen.
Die europäische Richtlinie Mifid II, die den Änderungen zugrunde lag, wirkt bereits seit Januar 2018. Bis dahin verschärfte sie aber nur die Vorgaben für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung von Banken und anderen von der BaFin überwachten Finanzinstituten.
Wie im Bankenbereich muss auch der gewerbliche Vermittler über Chancen und Risiken der empfohlenen Finanzprodukte informieren, eine anlegergerechte Beratung gewährleisten und seinen Dokumentationspflichten nachkommen.
Das sind die zentralen neuen Regelungen der FinVermV
Die maßgeblichen Vorschriften – auch Wohlverhaltenspflichten genannt – sind in den § 11 bis 25 der FinVermV beschrieben und geben klare Vorgaben zu Inhalt sowie Ablauf der Anlagevermittlung. Darüber hinaus regeln sie Anzeige-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Prüfungspflichten.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) schätzte den Erfüllungsaufwand 2019 folgendermaßen ein:
- Umstellungskosten: ca. 63 Millionen Euro
- Jährliche Umsetzungskosten: ca. 61 Millionen Euro
Nachfolgend eine Zusammenfassung der wesentlichen Änderungen zum 1. August 2020 – wobei vor allem die Paragrafen 18a und 23 entscheidende Herausforderungen bereithalten:
Es wird eine Pflicht zur Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten und der Vergütungsstruktur eingeführt. Sofern sich Interessenkonflikte im Vorfeld nicht vermeiden lassen, sind diese so zu regeln bzw. offenzulegen, dass sie nicht auf den Anleger durchschlagen.
Dies betrifft im Besonderen die Entgegennahme von Zuwendungen oder ähnlicher Anreize. Beschäftigte dürfen nicht in einer Weise vergütet oder bewertet werden, die mit ihrer Pflicht kollidiert, im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln. Insbesondere dürfen keine Vereinbarungen über Vergütung und Verkaufsziele getroffen werden, die sie dazu verleiten könnten, einem Anleger eine bestimmte Finanzanlage zu empfehlen, obwohl eine andere Option seinen Bedürfnissen besser entspricht.
- Geschätzte einmalige Kosten laut BMWi: 7,7 Millionen Euro
Der Gewerbetreibende hat den Anleger regelmäßig, mindestens jedoch jährlich, über die Kosten und Nebenkosten der Anlage zu informieren. Hierfür kann er ihm das Kosteninformationsblatt des Emittenten oder des depotverwaltenden Instituts aushändigen. Des Weiteren ist der Gewerbetreibende verpflichtet, die Kosten aufzuzeigen, die bei ihm selbst entstehen. Diese Pflichten greifen allerdings nur, wenn während des Kalenderjahres eine Geschäftsbeziehung zwischen Gewerbetreibendem und Anleger bestand.
- Geschätzte einmalige Kosten laut BMWi: 1 Millionen Euro
Das bisher zu erstellende Beratungsprotokoll wird durch die Geeignetheitserklärung ersetzt. Der Gewerbetreibende muss dem Anleger, der Privatkunde im Sinne des § 67 Absatz 3 des Wertpapierhandelsgesetzes ist, vor Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger eine Erklärung über die Geeignetheit der im Rahmen der Anlageberatung gegebenen Empfehlung zur Verfügung stellen. Die Geeignetheitserklärung muss die erbrachte Anlageberatung nennen und erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Anlegers abgestimmt wurde.
- Geschätzte einmalige Kosten laut BMWi: 59.000 Euro
Dieser Paragraf beschreibt und veranschlagt die Aufzeichnung telefonischer Vermittlungs- und Beratungsgespräche und sonstiger elektronischer Kommunikation. Die Aufzeichnung dient dem Zweck der Beweissicherung und soll insbesondere dokumentieren, ob der Anleger über Chancen, Risiken und Eigenschaften einer empfohlenen Finanzanlage informiert wurde. Der Umfang der Aufzeichnung darf dabei aber nicht über die Beweissicherung hinausgehen.
Der Gewerbetreibende ist dazu verpflichtet, die Anleger über die Aufzeichnung von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation vorab zu informieren. Widerspricht der Anleger einer Aufzeichnung, darf der Gewerbetreibende keine Anlageberatung oder Anlagevermittlung durchführen. Ein wichtiger Punkt, der gerne übersehen wird, ist, dass die Aufzeichnungen gegen nachträgliche Verfälschung und unbefugte Verwendung gesichert werden müssen.
- Geschätzte einmalige Kosten laut BMWi: 53,8 Millionen Euro
- Geschätzter laufender Erfüllungsaufwand laut BMWi für die Aufzeichnung und Aufbewahrung telefonischer Beratungsgespräche und sonstiger elektronischer Kommunikation mit Anlegern (§ 18a Absatz 1 und § 23 FinVermV): 15,7 Millionen Euro
- Geschätzte laufende Kosten laut BMWi für die Zuverfügungstellung der Aufzeichnungen auf Anforderung des Anlegers (§ 18a Absatz 6 FinVermV): 7,5 Millionen Euro
Aufzeichnungen nach § 18a sowie die in § 22 genannten Unterlagen, Telefongespräche und elektronische Kommunikation sind zehn Jahre auf einem dauerhaften Datenträger aufzubewahren. Und zwar so, dass sie von den Geschäftsräumen aus jederzeit zugänglich sind. Gegeben ist die Aufbewahrung nach FinVermV durch eine physische Aufbewahrung in den Geschäftsräumen selbst, aber auch im Rahmen einer Aufbewahrung auf externen Servern. Damit ist eine Auslagerung der Unterlagen an einen Dienstleister mit einem Langzeitarchiv sehr gut möglich.
- Geschätzter laufender Erfüllungsaufwand laut BMWi für die Aufzeichnung und Aufbewahrung telefonischer Beratungsgespräche und sonstiger elektronischer Kommunikation mit Anlegern (§ 18a Absatz 1 und § 23 FinVermV): 15,7 Millionen Euro
Zu beachten ist, dass Verstöße und Zuwiderhandlungen eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die vom Gewerbeamt mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden. Die Regelungen der FinVermV sind neben ihrer aufsichtsrechtlichen Bedeutung anlegerschützend, sodass eine Verletzung der Verhaltenspflichten auch eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach sich ziehen kann.
Digitale Ansätze der FinVermV
Machbarer Aufwand
In der bisherigen Praxis zeigt sich, dass die neuen FinVermV-Vorgaben realisierbar sind. Allerdings resultieren vor allem aus den § 18 a und § 23 neben einem bürokratischen Mehraufwand auch Rechtsunsicherheiten sowie zusätzliche Kostenblöcke.
Einer der Knackpunkte ist hierbei die Aufzeichnungspflicht elektronischer und telefonischer Kommunikation, das sogenannte Taping. So ist in Beratungsgesprächen nicht immer trennscharf zu ermitteln, wann ein aufzeichnungspflichtiges Gespräch endet und andere Inhalte beginnen. Das wirft auch datenschutzrechtliche Fragen auf: Was ist z.B., wenn ein Kunde Informationen einbringt, die Dritte betreffen? Hier verstößt eine Aufzeichnung gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Wie die Rechtsprechung mit solchen Fällen umgehen wird, bleibt in der Praxis abzuwarten.
Zudem treiben die Aufbewahrungspflichten die Archivierungskosten in die Höhe. Zur Erinnerung: Alle Gespräche über eine mögliche Vermittlung von Finanzprodukten sind zehn Jahre aufzubewahren. Mit Blick auf Audiodateien mag das Datenvolumen überschaubar erscheinen, aber was ist mit Video-Beratungen? Spätestens wenn Präsentationen geteilt werden, steht hier die Frage im Raum, ob neben der Ton- auch die Videospur aufgezeichnet und archiviert werden müsste.
Die Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten ist dabei durch jährlich vorzulegende Prüfberichte an die jeweils zuständige Geschäftsstelle der IHK sicherzustellen. Durchführen können solche Prüfungen zum Beispiel Steuerberater oder Rechtsanwälte mit Erfahrungen in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Steuerrecht oder Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wirtschaftsprüfer.
Aufsichtübertragung über Finanzanlagenvermittler an die BaFin
Eine Übertragung war ursprünglich für den 1. Januar 2021 geplant, nachdem die CDU die dafür notwendige Lesung im Bundestag im Juni 2020 wegen starker Bedenken abgesagt hatte, läuft bislang alles weiter wie bisher. Es bleibt nun abzuwarten, welche Auswirkungen der Rücktritt von BaFin-Präsident Felix Hufeld und die Reorganisation der BaFin für die Finanzanlagenvermittler haben werden.
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